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  • (c) fotolia, bluebay2014
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Abzocke im Internet - Vertragsfallen

Das Internet ist seit jeher ein Tummelplatz für Kriminelle und "Goldgräber" jeder Art. Betrugsfälle bei Auktionen und Verkäufen über das Internet, betrügerische Emails, von gefälschten Mahnungen bis hin zu scheinbar sensationellen Anlagemöglichkeiten.

Während die genannten Fälle noch mehr oder weniger eindeutig unter strafrechtlichen Gesichtspunkten eingeordnet werden können, ist dies in den Fällen von unerwünschten Vertragsabschlüssen (Vertragsfallen) im Internet nicht so.

Die Akteure in diesem Bereich treten daher auch offen auf und werden regelmäßig durch Anwaltskanzleien oder Inkassobüros vertreten.

Das Prinzip nach dem diese Form der Abzocke im Internet abläuft ist dabei immer dasselbe. Zunächst suchen die Anbieter nach Dienstleistungen, die einerseits eine möglichst große Anziehungskraft auf Internetuser entfalten, die nur mal etwas nachschauen wollen oder zum Zeitvertreib "surfen" - sich also nicht intensiv mit dem Angebot auseinandersetzen werden. Andererseits muss es sich um eine Dienstleistung handeln, die üblicherweise im Internet von anderen Anbietern umsonst angeboten wird und bei der man nicht mit einer Kostentragungspflicht rechnet. Zuletzt handelt es sich häufig um Angebote, die sich bewusst entweder an Kinder und Jugendliche wendet oder an ältere Leute, da bei beiden Gruppen erfahrungsgemäß eine gewisse Ahnungs- und Arglosigkeit im Umgang mit Internetangeboten vorliegt.

Entsprechend gibt es eine Fülle von Angeboten vom IQ Test, Berechnung der Lebenserwartung, Gedichte Seiten, Hausaufgabenhilfen, Ahnenforschung, über Listen zur Berufausbildung bis hin zu Routenplanern.

Eine ausführliche Liste zu entsprechenden Anbietern findet sich auf der Seite des Bundesverbands für Verbraucherschutz Liste).

Die tatsächlich angebotenen Leistungen sind dabei äußerst dürftig, so umfasste zum Beispiel die Seite zur Berufsausbildung lediglich die auch beim Arbeitsamt einzusehende abstrakte Aufstellung aller Ausbildungsberufe. Erreichbar sind die Inhalte der Abzock-Seiten jedoch erst nach einer Registrierung unter Angabe von persönlichen Daten wie Name, Adresse, Geburtsdatum und Emailadresse.

Das es sich um eine kostenpflichtige Leistung handelt, wird dabei sehr geschickt verschleiert. Zum einen wird die Notwendigkeit der Eingabe der persönlichen Daten in der Regel mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel erklärt. Zum anderen befinden sich die Angaben zu den Kosten der Leistung zwar auf derselben Seite, auf der auch die persönlichen Angaben gemacht werden müssen, jedoch sind die Seiten so gestaltet, dass selbst bei einer hohen Bildschirmauflösung diese Angaben erst mittels scrollen nach unten entdeckt werden können.

Nach Eintragung der Daten erreicht den Nutzer dann in der Regel eine Rechnung mittels Email. Während früher so häufig Abonnements geschlossen wurden, die schnell mehrere hundert Euro teuer waren, sind die Anbieter heute zu einmaligen Zahlungen im Bereich von 59 € bis ca. 150 € übergegangen. Dies hat zur Folge, dass sich die Betroffenen meistens nicht mehr an einen Anwalt wenden, da bei einem solchen Streitwert bereits Anwaltskosten in Höhe von fast 50 € anfallen.

Der Rechnung folgt bei Nichtzahlung dann schnell die erste Mahnung, Drohungen mit strafrechtlichen Verfahren und Mahn- und Inkassokosten.

In der Regel besteht jedoch kein Anspruch auf Zahlung! Nach Erfahrungen aus der anwaltlichen Praxis ist dies den Anbietern solcher Vertragsfallen auch bewusst, so dass es bei den Mahnungen bleibt. Es ist kein einziger Fall bekannt geworden, bei denen bei hartnäckiger Weigerung der Zahlung ein Gerichtsverfahren angestrengt worden wäre, nicht einmal Mahnverfahren wurden eingeleitet.

Trotzdem geben viele Betroffene dem Druck relativ schnell nach. Sie sehen sich vor einer aussichtlosen Situation, einerseits lohnt sich finanziell der Gang zum Anwalt nicht, andererseits drohen Inkasso- und Mahnkosten den ursprünglich geringen Betrag in die Höhe zu treiben. Zudem beinhalten die Mahnungen bereits rechtliche Erklärungen zu möglichen Verteidigungen durch die Betroffenen. So wird erläutert, dass es angeblich weder eine Rolle spiele, ob man selber die Leistungen in Anspruch genommen hat, noch ob es sich bei den Betroffenen um ein minderjähriges Kind handele. Ein Widerspruchsrecht sei mit Inanspruchnahme der Dienstleistung erloschen und der Vertragsschluss rechtswirksam.

Bei genauerer Betrachtung treffen diese Aussagen jedoch häufig gerade nicht zu.

Wehren Sie sich!

Dabei sollte nicht erst die erste Mahnung abgewartet werden, sondern unmittelbar per Email auf die Rechnung geantwortet werden.

Natürlich sind die rechtlichen Begebenheiten immer eine Frage des Einzelfalls, so dass man kein allgemeingültiges Konzept zum Umgang mit Vertragsfallen im Internet anbieten kann. Eine Antwort auf die Rechnungsstellung könnte aber folgende Punkte beinhalten:

Sollte Ihnen nicht bewusst sein, die angegebene Webseite jemals besucht zu haben und die dort angebotenen Leistungen in Anspruch genommen zu haben, sollte auf diesen Umstand hingewiesen werden.

Jemand könnte Ihre Daten missbraucht haben, um mit diesen Zugang zu der Webseite zu erlangen. Häufig wird der Zugang jedoch erst nach anklicken eines Links in einer Bestätigungsemail freigegeben, so dass ein Dritter nur dann Ihre Daten verwendet haben könnte, wenn er auch Zugang zu Ihren Emailkonten gehabt hätte.

Sollte ein minderjähriges Kind betroffen sein, so können die Eltern Ihre Zustimmung zu dem Vertragsschluss verweigern.

Auch in Anbetracht der relativ geringen Summen, ist die Zustimmung der Eltern zu dem behaupteten Vertragsschluss nicht nach dem sogg. "Taschengeldparagraph" überflüssig, da dieser erst eingreift, wenn die Leistung auch durch den Jugendlichen erbracht wurde. Aber Achtung: ggf. haften Eltern für Ihre Kinder, wenn sie ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen sind.

Dass von den Anbietern angedrohte Strafverfahren ist in der Regel eine leere Drohung. Selbst wenn es zu einer Anzeige kommen sollte, so dürfte das Verfahren zwanglos eingestellt werden.

Aber selbst wenn man tatsächlich die Leistungen des Anbieters in Anspruch genommen hat und seine Daten auf der Webseite selber eingetragen hat, ist in der Regel kein wirksamer Vertragsschluss zustande gekommen. Man sollte daher unbedingt die Wirksamkeit des Vertragschlusses bestreiten unter Hinweis auf die Verschleierung der Kostenpflichtigkeit des Angebots (Angebot einer üblicherweise kostenlos angebotenen Dienstleistung, Verknüpfung der Dateneingabe mit Gewinnverlosung, Platzierung der Preisangabe, etc.).

Zu Beweiszwecken sollten screenshots der Webseite gemacht werden.

Aufgrund der Verschleierung der Kostenpflicht kommt es zu einem versteckten Einigungsmangel, darauf sollte unter Angabe des Urteils des Amtsgerichts München hingewiesen werden (vgl. AG München, Urteil v. 16.01.2007 - 161 C 23695/06 Volltext der Entscheidung).

Hilfsweise sollte der Vertragsschluss widerrufen werden. Dabei sollte man sich nicht von der Behauptung abschrecken lassen, dass das Widerrufsrecht erloschen sei. Dies trifft nämlich nur für den Fall zu, dass zuvor eine Widerrufsbelehrung in Textform (zumindest per Email) zugegangen ist. Ist dies nicht der Fall, so steht die fehlende Belehrung einem Wegfall des Widerrufsrechts gem. §312 d Abs. 3 Nr. 2. BGB entgegen (vgl. AG Hannover, Urteil v. 22.8.2006 - 561 C 5828/06).

Weiterhin hilfsweise sollte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt werden, da bewusst der Eindruck erweckt wurde, dass es sich um eine kostenlose Dienstleistung handelte (vgl. AG Mießbach, Urteil v. 01.02.2001 - 2 C 836/00; MMR 2001, 837; OLG Frankfurt 6 U 187/07 und 6 U 186/07).

Nach herrschender Rechtsprechung handelt es sich bei Vertrags- und Abofallen auch um wettbewerbswidriges Handeln (vgl. LG Stuttgart, Urteil v. 15.05.2007 - Az.: 17 O 490/06, LG Frankfurt, Urteil v. 05.09.2007 - 3-08 O 35/07). Ein solches kann durch Verbraucherschutzorganisationen abgemahnt werden. Man sollte daher auch die Verbraucherschutzzentrale vor Ort von dem Fall informieren und dies in einem Schreiben an den Anbieter mitteilen oder sich zumindest vorbehalten.

Obwohl es hinsichtlich der Strafbarkeit der Vertrags- und Abofallen wie oben angemerkt keine klare Rechtslage gibt, sollte man trotzdem ggf. Strafanzeige stellen oder sich diese vorbehalten.

Schließlich sollte man darauf hinweisen, dass man den geforderten Betrag auf keinen Fall zahlen wird und sich insoweit die Geltendmachung von Mahn- oder Inkassogebühren verbiete.

Mahn- und Inkassogebühren dürfen nämlich nur dann erhoben werden, wenn ein solches Vorgehen Erfolg versprechend ist. Steht hingegen von vornherein fest, dass der geforderte Betrag nicht gezahlt werden wird, ist der Gläubiger auf das gerichtliche Verfahren verwiesen.

Haben Sie noch Fragen zu diesem Thema? Kontaktieren Sie uns!

Verfasser: RA Falco Henkel
Erstellungsdatum: 05.06.2008

02.12.2014