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EuG, Urteil vom 16.03.2017, Az.: T-473/15 - Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Beschwerdekammer des EUIPO nach Einschränkung des Warenverzeichnisses

Unsere Leitsätze:

I. Erfolgt eine Einschränkung des Warenverzeichnisses der streitbefangenen Marke während eines Widerspruchs- / Beschwerdeverfahrens ist die Widerspruchsabteilung / die Beschwerdekammer des EUIPO für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Einschränkung zuständig.

II. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beschwerdekammer beurteilt sich nach der GMV und der Durchführungs-VO, nicht jedoch nach den Verfahrensrichtlinien des EUIPO.

III. Hält die Beschwerdekammer die Einschränkung für unzulässig, so muss dem Markeninhaberin Gelegenheit zur Stellungnahme und Korrektur der Einschränkung gegeben werden.

IV. Unterlässt die Beschwerdekammer diese Anhörung und entscheidet den Widerspruch unter Zurückweisung der Einschränkung, liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor, wenn durch eine Korrektur der Einschränkung ein anderes Ergebnis der Entscheidung möglich gewesen wäre.


 URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

16. März 2017

In der Rechtssache T-473/15

Capella EOOD mit Sitz in Sofia (Bulgarien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt F. Henkel,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch S.H. als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des EUIPO und Streithelferin vor dem Gericht:

A. A. B. S. KG mit Sitz in W. (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G. H.,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des EUIPO vom 2. Juni 2015 (Sache R 117/2014-4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen A.A.B.S. und Capella

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung, zum Zeitpunkt der Beratung, des Richters S. Gervasoni in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten sowie der Richter L. Madise und Z. Csehi (Berichterstatter),

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der am 14. August 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 13. November 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

aufgrund der am 18. November 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung der Streithelferin,

aufgrund der prozessleitenden Maßnahmen vom 12. Juli 2016,

aufgrund des Umstands, dass keine der Hauptparteien innerhalb der Frist von drei Wochen, nachdem die Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens erfolgt ist, einen Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat, und des gemäß Art. 106 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

  Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 14. November 2011 meldete die C. E. nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Dabei handelte es sich um das Wortzeichen APUS.

3        Die Marke wurde zunächst u. a. für „Fahrzeuge sowie deren Teile und Zubehör“ der Klasse 12 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4        Die Anmeldung der Unionsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 8/2012 vom 12. Januar 2012 veröffentlicht.

5        Am 21. März 2012 erhob die Streithelferin, die A.A.B.S. KG, nach Art. 41 der Verordnung Nr. 207/2009 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die oben in Rn. 3 genannten Waren.

6        Der Widerspruch stützte sich auf die ältere deutsche Wortmarke ABUS, die folgende Waren der Klassen 4, 9, 12, 18 und 20 erfasst:

–        Klasse 4: „Schmiermittel für Schlösser“;

–        Klasse 9: „Optische Apparate und Instrumente, Türspione, Signalapparate und -instrumente, elektrische und elektronische Überwachungsgeräte, insbesondere Alarmgeräte, Funkgeräte, Telefongeräte, integrierte Schaltkreise, Codierer für Datenverarbeitung, Computer, Computerbetriebsprogramme, Computerperipheriegeräte, Speicher für Datenverarbeitungsanlagen, Datenverarbeitungsgeräte, elektrische Diebstahlalarmgeräte, Monitore, Fernsteuerungsgeräte, Feuermelder, Schutzhelme, Kameras, Magnetkarten, Smartcards, Rauchdetektoren, Bewegungsmelder, elektronische Sprach- und Relaismodule, Programmiergeräte, auf Datenträgern gespeicherte Software, Paniksender, Glasbruchmelder, Erschütterungsmelder, Magnetkontakte, Schaltkontakte, elektrische Akkumulatoren, elektrische Kabel und Verteiler, optische Objektive; Handytaschen“;

–        Klasse 12: „Bezüge für Fahrrad- oder Motorradsättel, Zweiradbremsen, mechanische Diebstahlsicherungen für Fahrzeuge, Diebstahlwarngeräte für Fahrzeuge, Fahrtrichtungsanzeiger für Fahrräder, Fahrradglocken, Fahrradketten, Fahrradklingeln, Fahrradkörbe, Fahrradlenkstangen, Fahrradnetze, Fahrradpedale, Fahrradpumpen, Fahrradsättel, Gepäckträger für Fahrzeuge“;

–        Klasse 18: „Taschen, soweit in Klasse 18 enthalten, Badetaschen, Campingtaschen, Einkaufstaschen, Kartentaschen, Reisetaschen, Schultaschen, Rucksäcke“;

–        Klasse 20: „Fahrzeugschlösser, nicht aus Metall; Schlösser (ausgenommen elektrische), nicht aus Metall“.

7        Als Widerspruchsgrund wurde das Eintragungshindernis des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend gemacht.

8        Während des Verfahrens vor der Widerspruchsabteilung wurde die angemeldete Marke zunächst auf die V. E. und dann auf die C.-T. Ltd übertragen.

9        Am 5. November 2013 gab die Widerspruchsabteilung dem Widerspruch in vollem Umfang statt.

10      Mit beim EUIPO am 10. Dezember 2013 eingereichten Schreiben beantragte die I.-K. GmbH, auf die die angemeldete Marke zwischenzeitlich übertragen worden war, die Übertragung der Anmeldung im Markenregister der Europäischen Union zu vermerken. Das EUIPO gab diesem Antrag am 10. Januar 2014 statt.

11      Am 6. Januar 2014 legte die C.-T. Ltd gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 beim EUIPO Beschwerde ein.

12      Während des Verfahrens vor der Beschwerdekammer des EUIPO wurde die Klägerin, die C. E., Inhaberin der Unionsmarkenanmeldung, was dem EUIPO am 18. Januar 2014 mitgeteilt wurde.

13      Mit Schreiben, das am 20. August 2014 beim EUIPO eingereicht wurde, schränkte die Klägerin das Warenverzeichnis der Anmeldemarke in Klasse 12 ein und legte folgende Beschreibung vor: „Fahrzeuge für den Landverkehr; Wasser-Fahrzeuge, sowie deren Teile; Luft-Fahrzeuge, sowie deren Teile; Fahrzeuge für den Weltraum, sowie deren Teile“ (im Folgenden: erste Einschränkung der Anmeldung). Das fragliche Schreiben war an die Hauptabteilung „Kerngeschäft“ des EUIPO gerichtet.

14      Die Geschäftsstelle der Beschwerdekammern des EUIPO bestätigte mit Schreiben vom 4. September 2014 den Empfang der ersten Einschränkung der Anmeldung und teilte der Klägerin mit, dass über diese in der Entscheidung über die Beschwerde befunden werde. Mit Schreiben vom selben Tag übermittelte sie die erste Einschränkung der Anmeldung zur Information der anderen Beteiligten im Verfahren.

15      Mit Schreiben, die am 16. und 30. September 2014 beim EUIPO eingereicht wurden, bat die Klägerin um Erläuterungen zu den Gründen, aus denen die von ihr am 20. August 2014 vorgelegte Einschränkung des Warenverzeichnisses noch nicht erfolgt sei. Die Geschäftsstelle der Beschwerdekammern antwortete auf diese Schreiben am 26. September und am 15. Oktober 2014.

16      Mit Schreiben, das beim EUIPO am 8. Oktober 2014 eingereicht wurde, schränkte die Klägerin erneut das Verzeichnis der mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren der Klasse 12 ein und legte folgende Beschreibung vor: „Kraft-Fahrzeuge für den Landverkehr, nämlich Personenkraftwagen (Pkw); Kraftomnibusse; Lastkraftwagen; Traktoren; Golfplatzfahrzeuge; Schneemobile; Pistenraupen; Wohnmobile; Mopedautos; Reifen für Automobile; Reifen für Lastkraftwagen; Felgen für Automobile; Felgen für Lastkraftwagen; Wasser-Fahrzeuge, sowie deren Teile; Luft-Fahrzeuge, sowie deren Teile; Fahrzeuge für den Weltraum, sowie deren Teile“ (im Folgenden: zweite Einschränkung der Anmeldung). Das fragliche Schreiben war an die Hauptabteilung „Kerngeschäft“ des EUIPO gerichtet.

17      Mit Schreiben, das am 21. Oktober 2014 beim EUIPO eingereicht wurde, erbat die Klägerin zusätzliche Auskünfte u. a. zur Bearbeitung der ersten Einschränkung der Anmeldung.

18      Mit Schreiben vom 29. Januar 2015 bestätigte die Geschäftsstelle der Beschwerdekammern des EUIPO den Empfang der zweiten Einschränkung der Anmeldung und teilte der Klägerin mit, dass über diese in der Entscheidung über die Beschwerde befunden werde. Mit Schreiben vom selben Tag übermittelte die Geschäftsstelle die zweite Einschränkung der Anmeldung zur Information an die andere Beteiligte im Verfahren.

19      Mit Entscheidung vom 2. Juni 2015 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) nahm die Vierte Beschwerdekammer des EUIPO die erste Einschränkung der Anmeldung zur Kenntnis. Was dagegen die zweite Einschränkung der Anmeldung anbelangt, wies sie diese in vollem Umfang als unzulässig zurück, da es sich, was die „Reifen und Felgen“ betreffe, um eine Erweiterung des nach der ersten Einschränkung der Anmeldung zurückbehaltenen Warenverzeichnisses handele.

20      Außerdem hob die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf und gab dem Widerspruch nur insoweit statt, als er „Fahrzeuge für den Landverkehr“ der Klasse 12 betraf.

  Anträge der Parteien

21      Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an die Beschwerdekammer zurückzuverweisen;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

22      Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

23      Die Streithelferin beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        die angefochtene Entscheidung zu bestätigen;

–        der Klägerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens vor dem EUIPO aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

24      Die Klägerin macht einen einzigen Klagegrund geltend, der zwei Teile umfasst. Mit dem ersten Teil wird die Unzuständigkeit der Beschwerdekammer gerügt, über eine Einschränkung des Verzeichnisses der von der Anmeldemarke erfassten Waren zu befinden, und mit dem zweiten Teil, bezogen auf die Zurückweisung der zweiten Einschränkung der Anmeldung als unzulässig, eine von der Beschwerdekammer begangene Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör.

 Zur Zuständigkeit der Beschwerdekammer

25      Im Rahmen des ersten Teils des einzigen Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer sei nicht zuständig, um über eine während des Verfahrens vor der Beschwerdekammer erklärte Einschränkung der Anmeldung einer Unionsmarke selbst zu befinden. Eine solche Entscheidung hätte von der Hauptabteilung „Kerngeschäft“ des EUIPO getroffen werden müssen.

26      Das EUIPO tritt in seiner Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

27      Nach Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 kann der Anmelder einer Unionsmarke seinen Antrag jederzeit zurücknehmen oder das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken.

28      Was die Zuständigkeiten der Beschwerdekammern anbelangt, ergibt sich aus Art. 135 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009, dass sie für Entscheidungen über Beschwerden gegen Entscheidungen der Prüfer, der Widerspruchsabteilungen, der Markenverwaltungs- und Rechtsabteilungen sowie der Nichtigkeitsabteilungen zuständig sind.

29      Darüber hinaus entscheidet gemäß Art. 64 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 die Beschwerdekammer nach der Prüfung, ob die Beschwerde begründet ist, über die Beschwerde. Nach derselben Vorschrift wird die Beschwerdekammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit der Dienststelle tätig, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, oder sie verweist die Angelegenheit zur Fortsetzung des Verfahrens an diese Dienststelle zurück.

30      Im Übrigen sind nach Art. 132 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 die Widerspruchsabteilungen zuständig für Entscheidungen im Zusammenhang mit Widersprüchen gegen eine Anmeldung einer Unionsmarke. Zudem ist klarzustellen, dass die Prüfer für namens des EUIPO zu treffende Entscheidungen im Zusammenhang mit einer Anmeldung einer Unionsmarke zuständig sind, sofern nicht eine Widerspruchsabteilung zuständig ist.

31      Im Licht dieser Erläuterungen ist die Zuständigkeit der Beschwerdekammer zu beurteilen, über eine während des Verfahrens vor dieser Beschwerdekammer erklärte Einschränkung der Anmeldung einer Unionsmarke zu befinden.

32      Insoweit ist als Erstes festzustellen, dass gemäß Art. 43 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 131 und Art. 132 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 nach Einreichung eines Widerspruchs die Widerspruchsabteilung dafür zuständig wird, über eine Einschränkung des Verzeichnisses der in einer Unionsmarkenanmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu befinden.

33      Diese Auslegung wird durch die Vorschriften über den Ablauf des Widerspruchsverfahrens gestützt. Aus Regel 18 Abs. 3 in Verbindung mit Regel 20 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 303, S. 1) ergibt sich nämlich, dass das EUIPO, wenn der Anmelder während des Widerspruchsverfahrens die Anmeldung einschränkt, indem er auf die Beanspruchung bestimmter Waren und Dienstleistungen verzichtet, die Gegenstand des Widerspruchs sind, dies dem Widersprechenden mitteilt und ihn auffordert, ihm innerhalb einer vom EUIPO festzulegenden Frist zu erklären, ob er den Widerspruch aufrechterhält, und bejahendenfalls, gegen welche der verbleibenden Waren und Dienstleistungen. Ferner wird das Widerspruchsverfahren eingestellt, wenn der Widersprechende den Widerspruch aufgrund der Einschränkung zurücknimmt.

34      Daraus ergibt sich, dass eine Einschränkung des Verzeichnisses der Waren oder Dienstleistungen, die in der fraglichen Anmeldung beansprucht werden, Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung des Widerspruchs und demnach auf die Fortsetzung des Widerspruchsverfahrens haben kann. Zudem kann sich auch bei Aufrechterhaltung des Widerspruchs aufgrund der Änderung des für die Anmeldemarke angestrebten Schutzumfangs die vom Anmelder vorgenommene Einschränkung auf die Prüfung des Widerspruchs auswirken.

35      Die Widerspruchsabteilung, die nach Art. 132 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 für Entscheidungen im Zusammenhang mit Widersprüchen zuständig ist, ist daher zwangsläufig dafür zuständig, über eine Einschränkung des Verzeichnisses der Waren oder Dienstleistungen, die in der Anmeldung beansprucht werden, zu befinden.

36      Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass im Fall der Einschränkung des Verzeichnisses der mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu einem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung der Widerspruchsabteilung über den Widerspruch gegen die Eintragung dieser Marke vor der Beschwerdekammer angefochten wird, nach der Rechtsprechung die Beschwerdekammer dafür zuständig wird, über eine solche Einschränkung zu entscheiden (Urteile vom 17. Oktober 2006, Hammarplast/HABM – Steninge Slott [STENINGE SLOTT], T?499/04, nicht veröffentlicht, EU:T:2006:324, Rn. 33, und vom 14. Juli 2011, ratiopharm/HABM – Nycomed [ZUFAL], T?222/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:383, Rn. 23 bis 28).

37      Eine Einschränkung des Verzeichnisses der in einer Unionsmarkenanmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen kann nämlich nach Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 „jederzeit“ und daher auch während des Verfahrens vor der Beschwerdekammer vorgenommen werden.

38      Darüber hinaus wird die Beschwerdekammer, wenn sie selbst über einen Widerspruch nach Art. 64 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 entscheidet, im Rahmen der Zuständigkeit der Widerspruchsabteilung tätig und durch die Wirkung der bei ihr anhängig gemachten Beschwerde damit betraut, eine vollständige neue Prüfung der Begründetheit des Widerspruchs sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht vorzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2007, HABM/Kaul, C?29/05 P, EU:C:2007:162, Rn. 56 und 57). Soweit, wie oben in Rn. 34 festgestellt, eine Einschränkung des Verzeichnisses der mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung des Widerspruchs und im Fall seiner Aufrechterhaltung auf seine Beurteilung haben kann, ist die Beschwerdekammer auch zuständig, um über eine während des Beschwerdeverfahrens vorgenommene Einschränkung des Verzeichnisses der Waren oder Dienstleistungen, die in der fraglichen Anmeldung beansprucht werden, zu entscheiden.

39      Die Hauptabteilung „Kerngeschäft“ des EUIPO, die grundsätzlich für alle Verfahren zuständig ist, die die Rechte an Unionsmarken betreffen, so u. a. für die Verfahren zur Prüfung von Unionsmarkenanmeldungen und Widerspruchsverfahren, und zu der die Widerspruchsabteilung gehört, ist daher – entgegen dem Vorbringen der Klägerin – während der Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht dafür zuständig, über eine Einschränkung des Verzeichnisses der Waren oder Dienstleistungen, die in einer Unionsmarkenanmeldung beansprucht werden, zu entscheiden.

40      Folglich ist der erste Teil des einzigen Klagegrundes, mit dem die Unzuständigkeit der Beschwerdekammer geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

 Zum Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör

41      Im Rahmen des zweiten Teils des einzigen Klagegrundes rügt die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009, den sie im Wesentlichen damit begründet, dass sie zu der Entscheidung der Beschwerdekammer über die zweite Einschränkung der Anmeldung hätte gehört werden müssen. Sie führt aus, dass sie auf die möglichen Mängel dieser Einschränkung hätte hingewiesen und zu deren Behebung hätte aufgefordert werden müssen. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang u. a. auf Regel 36 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 und die Richtlinien für die Verfahren vor dem EUIPO (im Folgenden: Richtlinien des EUIPO).

42      Zudem macht die Klägerin geltend, dass, hätte sie Gelegenheit gehabt, den Mängeln der zweiten Einschränkung der Anmeldung abzuhelfen, ein anderes Warenverzeichnis von der Beschwerdekammer zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr berücksichtigt worden wäre und deren Entscheidung auch anders ausgefallen wäre.

43      Das EUIPO und die Streithelferin treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

44      Das EUIPO macht geltend, dass es in die Zuständigkeit eines Anmelders der Unionsmarke falle, das Verzeichnis der mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen festzulegen, und dass im vorliegenden Fall die zweite Einschränkung nicht habe wirksam werden können, da sie teilweise unzulässig gewesen sei. Zudem habe die Beschwerdekammer keine Beistandspflicht gegenüber einer Partei, die ein (teilweise) ungültiges Warenverzeichnis vorlege, und müsse unparteilich sein. Ferner habe keine rechtliche Verpflichtung der Beschwerdekammer bestanden, sich vor Erlass der angefochtenen Entscheidung zu der zweiten Einschränkung der Anmeldung zu äußern und der Klägerin insoweit möglicherweise eine Frist zu setzen. Was die Berufung der Klägerin auf Regel 36 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 betreffe, könne ein Verzicht nur in Bezug auf eine eingetragene Gemeinschaftsmarke erklärt werden. Auch könne die Klägerin eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs nicht aus den Richtlinien des EUIPO ableiten, da diese nur für die Widerspruchsabteilung verbindlich seien. Selbst wenn eine Verletzung des rechtlichen Gehörs erwiesen wäre, hätte die Klägerin schließlich nicht hinreichend dargelegt, inwieweit sich diese auf die Zurückweisung der Anmeldung für die Waren „Fahrzeuge für den Landverkehr“ in Klasse 12 ausgewirkt hätte.

45      Die Streithelferin macht geltend, das EUIPO sei nicht verpflichtet, den Anmelder einer Unionsmarke auf die Unzulässigkeit einer im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgenommenen Einschränkung des Verzeichnisses der mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren hinzuweisen oder sie dazu anzuhören. Was darüber hinaus die Berufung der Klägerin auf die Vorschriften über den Verzicht betreffe, seien diese nur auf eingetragene Marken anwendbar. Soweit sich die Klägerin schließlich zu ihren Gunsten auf die Richtlinien des EUIPO berufe, seien die Einschränkungen des fraglichen Warenverzeichnisses nicht im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens erfolgt, sondern im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens, in dem regelmäßig nur die Richtigkeit der bei der Beschwerdekammer angefochtenen Entscheidung überprüft werde.

46      Insoweit ist als Erstes das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, das auf Art. 50 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 und Regel 36 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 gestützt ist, weil diese Vorschriften, wie das EUIPO und die Streithelferin zu Recht feststellen, einen Verzicht im Fall bereits eingetragener Unionsmarken betreffen, nicht aber auf Unionsmarkenanmeldungen anwendbar sind.

47      Das Gleiche gilt für das Vorbringen der Klägerin zu den Richtlinien des EUIPO. Zum einen ist nämlich klarzustellen, dass, wie sich aus Art. 136 Abs. 4 der Verordnung Nr. 207/2009 ergibt, der Vorsitzende und die Mitglieder der Beschwerdekammern des EUIPO unabhängig und bei ihren Entscheidungen an keinerlei Weisung gebunden sind. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die Entscheidungen der Beschwerdekammern über die Eintragung eines Zeichens als Unionsmarke gemäß der Verordnung Nr. 207/2009 gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen sind, so dass die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen allein auf der Grundlage dieser Verordnung in ihrer Auslegung durch den Unionsrichter zu beurteilen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Januar 2012, HABM/Nike International, C?53/11 P, EU:C:2012:27, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Was als Zweites die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 angeht, ist zunächst der Wortlaut dieses Artikels in Erinnerung zu rufen:

„Die Entscheidungen des Amtes sind mit Gründen zu versehen. Sie dürfen nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.“

49      Diese Vorschrift stellt einen besonderen Anwendungsfall des auch in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegten allgemeinen Grundsatzes des Schutzes der Verteidigungsrechte dar, wonach Personen, deren Interessen durch eine amtliche Entscheidung berührt werden, Gelegenheit erhalten müssen, ihren Standpunkt gebührend darzulegen (vgl. Urteil vom 13. Juni 2012, XXXLutz Marken/HABM – Meyer Manufacturing [CIRCON], T?542/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:294, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung). Der Anspruch auf rechtliches Gehör erstreckt sich auf alle tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, die die Grundlage der Entscheidungsfindung bilden, nicht aber auf den endgültigen Standpunkt, den die Verwaltung einnehmen will (vgl. Beschluss vom 8. September 2015, DTL Corporación/HABM, C?62/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:568, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Das EUIPO ist verpflichtet, die Beteiligten eines bei seinen Stellen anhängigen Verfahrens in die Lage zu versetzen, ihren Standpunkt zu allen Gesichtspunkten geltend zu machen, die die Grundlage der Entscheidungen dieser Stellen bilden. Auch wenn die Parteien nach Treu und Glauben zu handeln haben und das EUIPO auf Versäumnisse oder Fehler, die sie in den vom EUIPO an sie gerichteten Schreiben erkennen konnten, frühzeitig aufmerksam zu machen haben, obliegt es doch dem EUIPO, nachzuweisen, dass es seinen eigenen Verpflichtungen aus Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 genügt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2012, CIRCON, T?542/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:294, Rn. 72).

51      Insbesondere kann nach dem in Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 niedergelegten Grundsatz eine Beschwerdekammer des EUIPO ihre Entscheidung nur auf tatsächliche oder rechtliche Erwägungen stützen, zu denen die Beteiligten Stellung nehmen konnten (Urteil vom 12. September 2012, Duscholux Ibérica/HABM – Duschprodukter i Skandinavien [duschy], T?295/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:420, Rn. 24).

52      Bei einer Nichtbeachtung der Bestimmungen von Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 kann jedoch das Verwaltungsverfahren nur dann mit einem Fehler behaftet sein, wenn nachgewiesen ist, dass es ohne diese Nichtbeachtung möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (vgl. Urteil vom 15. Juli 2015, Australian Gold/HABM – Effect Management & Holding [HOT], T?611/13, EU:T:2015:492, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53      Im Licht dieser Vorgaben ist die Frage zu prüfen, ob unter den Umständen des vorliegenden Falles die Beschwerdekammer im Zusammenhang mit der Behandlung der zweiten Einschränkung der Anmeldung gegen Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßen hat.

54      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 nur unter der doppelten Voraussetzung begründet ist, dass zum einen die Beschwerdekammer es unterlassen hat, die Klägerin zur Stellungnahme zu einem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt aufzufordern, auf den sie die angefochtene Entscheidung gestützt hat, und dass zum anderen bei Einhaltung der Regelung des Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 ein anderes Ergebnis zustande gekommen wäre.

55      Was erstens die Frage betrifft, ob die Beschwerdekammer es unterlassen hat, die Klägerin zur Stellungnahme zu einem Gesichtspunkt aufzufordern, auf den sie die angefochtene Entscheidung gestützt hat, ist festzustellen, dass die Klägerin nach Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 berechtigt war, während des Beschwerdeverfahrens eine Einschränkung des Verzeichnisses der mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen vorzunehmen.

56      Es ist weiter festzustellen, dass die Klägerin mit der zweiten Einschränkung der Anmeldung die Waren „Fahrzeuge für den Landverkehr“ der Klasse 12, die nach der ersten Einschränkung weiterhin beansprucht wurden, dahin einschränken wollte, dass stattdessen die Beschreibung „Kraft-Fahrzeuge für den Landverkehr, nämlich Personenkraftwagen (Pkw); Kraftomnibusse; Lastkraftwagen; Traktoren; Golfplatzfahrzeuge; Schneemobile; Pistenraupen; Wohnmobile; Mopedautos“ gelten sollte. In dieser „Einschränkung“ bezog sie sich auch auf die Waren „Reifen für Automobile; Reifen für Lastkraftwagen; Felgen für Automobile; Felgen für Lastkraftwagen“, die nach der ersten Einschränkung der Anmeldung nicht mehr beansprucht wurden.

57      Schließlich ist festzustellen, dass die von der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung angenommene Unzulässigkeit der zweiten Einschränkung der Anmeldung, weil sie, was die „Reifen für Automobile; Reifen für Lastkraftwagen; Felgen für Automobile; Felgen für Lastkraftwagen“ anbelange, gegenüber der nach der ersten Einschränkung der Anmeldung beibehaltenen Waren eine Erweiterung darstelle, im Verfahren vor der Beschwerdekammer nicht dazu führte, dass der Klägerin eine Frist gesetzt wurde, innerhalb deren sie sich zur vermeintlichen Unzulässigkeit der zweiten Einschränkung der Anmeldung hätte äußern können. Den Akten des Verfahrens vor dem EUIPO lässt sich nämlich entnehmen, dass die Beschwerdekammer nur den Eingang der zweiten Einschränkung der Anmeldung bestätigt und der Klägerin mitgeteilt hat, dass darüber im Zuge der Entscheidung über die Beschwerde entschieden werde.

58      Daraus ergibt sich, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung die zweite Einschränkung der Anmeldung in vollem Umfang für unzulässig erklärt hat, ohne die Klägerin davon in Kenntnis zu setzen und ohne dass diese dazu hätte Stellung nehmen können.

59      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass von der Beschwerdekammer nicht verlangt werden kann, dass sie die Parteien im Voraus darüber in Kenntnis setzt, wie sie beabsichtigt, das Recht anzuwenden (vgl. Urteil vom 14. Juni 2012, Seven Towns/HABM [Darstellung von sieben Quadraten in unterschiedlichen Farben], T-293/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:302, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung). Jedoch ist die Beschwerdekammer nach Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verpflichtet, die Parteien über alle tatsächlichen und rechtlichen Punkte anzuhören, die die Grundlage für die angefochtene Entscheidung bilden. Darüber hinaus obliegt es ihr, sich zu vergewissern, dass die in dieser Vorschrift festgelegten Bedingungen erfüllt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2012, Darstellung von sieben Quadraten in unterschiedlichen Farben, T-293/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:302, Rn. 43).

60      Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdekammer, nachdem sie die zweite Einschränkung der Anmeldung in vollem Umfang für unzulässig erklärt hat, für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr der einander gegenüberstehenden Marken ein Verzeichnis der mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren zugrunde gelegt, das nicht mit dem von der Klägerin zuletzt beanspruchten Verzeichnis übereinstimmte. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren zu den wesentlichen Gesichtspunkten gehören, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Beschwerdekammer ihrer Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Marken die Waren zugrunde gelegt hat, die von der angemeldeten Marke in der Form erfasst wurden, die sich aus der ersten Einschränkung der Anmeldung ergab, ohne die Klägerin im Voraus über mögliche Mängel der zweiten Einschränkung unterrichtet zu haben und ohne dass die Klägerin sich zu diesem Punkt hätte äußern können.

61      Es ist daher festzustellen, dass die Beschwerdekammer es unterlassen hat, die Klägerin aufzufordern, sich zu einem Gesichtspunkt zu äußern, auf den sie die angefochtene Entscheidung gestützt hat, und dass diese Herangehensweise gegen Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 verstößt.

62      Darüber hinaus ist, soweit die Klägerin der Beschwerdekammer vorwirft, sie nicht zur Behebung möglicher Mängel ihrer zweiten Einschränkung der Anmeldung aufgefordert zu haben, darauf hinzuweisen, dass der in Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 niedergelegte Anspruch auf rechtliches Gehör, soweit er Mängel einer Einschränkung des Verzeichnisses der in einer Unionsmarkenanmeldung beanspruchten Waren und Dienstleistungen betrifft, durch Regel 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 konkretisiert wird.

63      Sind die Erfordernisse für einen Antrag auf Änderung einer Unionsmarkenanmeldung nicht erfüllt, wird dem Anmelder gemäß Regel 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 der festgestellte Mangel mitgeteilt und ihm eine Frist zur Behebung des Mangels gesetzt.

64      Wie das EUIPO auf eine schriftliche Frage des Gerichts eingeräumt hat, gilt diese Regel gemäß Regel 50 Abs. 1 dieser Verordnung auch für das Verfahren vor der Beschwerdekammer. Darüber hinaus ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass Regel 13 der Verordnung Nr. 2868/95 für Einschränkungen des in einer Unionsmarkenanmeldung enthaltenen Verzeichnisses der Waren oder Dienstleistungen gemäß Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 gilt, die während des Beschwerdeverfahrens vorgenommen wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Oktober 2004, KWS Saat/HABM, C-447/02 P, EU:C:2004:649, Rn. 52, vom 3. Oktober 2012, Yilmaz/HABM – Tequila Cuervo [TEQUILA MATADOR HECHO EN MEXICO], T-584/10, EU:T:2012:518, Rn. 19, und vom 8. November 2013, Kessel/HABM – Janssen-Cilag [Premeno], T-536/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:586, Rn. 39).

65      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass entgegen dem Vorbringen des EUIPO in seiner Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts der Anwendungsbereich von Regel 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 nicht auf die in Abs. 1 dieser Regel genannten Angaben beschränkt ist. Regel 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 bezieht sich nämlich allgemein auf die Erfordernisse für eine Änderung der Unionsmarkenanmeldung und beschränkt sich nicht darauf, auf ihren Abs. 1 zu verweisen, der den Mindestinhalt eines Antrags nach Art. 43 der Verordnung Nr. 207/2009 festlegt. Was eine Einschränkung des Verzeichnisses der mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen anbelangt, bezieht sich Regel 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 daher ihrem Wortlaut nach sowohl auf Formvorschriften als auch auf alle anderen Erfordernisse für die Berücksichtigung einer solchen Einschränkung, einschließlich der Angabe eines Verzeichnisses der Waren oder Dienstleistungen, das eine zulässige Einschränkung der ursprünglichen Anmeldung aufweist.

66      Eine solche Auslegung steht im Einklang mit dem Ziel, das mit der dem Anmelder einer Unionsmarke gewährten Möglichkeit verfolgt wird, eine Einschränkung des Verzeichnisses der mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen vorzunehmen, d. h. der Möglichkeit, Eintragungshindernisse für die fragliche Anmeldung zu überwinden. Darüber hinaus entspricht es auch den Interessen des Widerspruchsführers. Denn eine etwaige Behebung des Mangels einer Einschränkung des Verzeichnisses der mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen kann den Widerspruchsführer zufriedenstellen, so dass er seinen Widerspruch gemäß Regel 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 in Verbindung mit Regel 20 Abs. 5 dieser Verordnung zurücknehmen könnte. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass – was das EUIPO auf eine schriftliche Frage des Gerichts eingeräumt hat – Regel 18 Abs. 3 und Regel 20 Abs. 5 der Verordnung Nr. 2868/95 gemäß Regel 50 Abs. 1 dieser Verordnung auch für das Beschwerdeverfahren gelten.

67      Unter diesen Umständen und im Hinblick darauf, dass der Anmelder einer Unionsmarke gemäß Art. 43 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 jederzeit das in der Anmeldung enthaltene Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen einschränken kann, ist festzustellen, dass die Beschwerdekammer die Klägerin von den Mängeln ihrer zweiten Einschränkung der Anmeldung hätte in Kenntnis setzen und ihr somit erlauben müssen, diese Mängel zu berichtigen.

68      Was zweitens die Frage betrifft, ob die Einhaltung von Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 und Regel 13 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, kann entgegen dem Vorbringen des EUIPO im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht werden, dass ohne den geltend gemachten Mangel die Entscheidung nicht anders hätte ausfallen können.

69      Hätte die Klägerin nämlich den Mangel der zweiten Einschränkung der Anmeldung im Rahmen einer Stellungnahme zum Vorwurf der Unzulässigkeit dieser Anmeldung behoben, hätte, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, die Beurteilung der Verwechslungsgefahr der einander gegenüberstehenden Zeichen anders ausfallen können, da in einem solchen Fall, was die Waren betrifft, für die eine Ähnlichkeit festgestellt worden ist, die Beschwerdekammer statt des in Rn. 32 der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Vergleichs zwischen den Waren „Fahrzeuge für den Landverkehr“ und den Waren „mechanische Diebstahlsicherungen für Fahrräder“ einen Vergleich zwischen den Waren „Kraft-Fahrzeuge für den Landverkehr, nämlich Personenkraftwagen (Pkw); Kraftomnibusse; Lastkraftwagen; Traktoren; Golfplatzfahrzeuge; Schneemobile; Pistenraupen; Wohnmobile; Mopedautos“ und den Waren „mechanische Diebstahlsicherungen für Fahrzeuge“ vorgenommen hätte.

70      Daher kann die Klägerin zu Recht geltend machen, dass die Beschwerdekammer unter den Umständen des Falles ihren Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen der Behandlung ihrer zweiten Einschränkung der Anmeldung verletzt habe.

71      Das Vorbringen des EUIPO und der Streithelferin vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

72      Was erstens das Argument betrifft, mit dem im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass es dem Anmelder obliege, das Verzeichnis der betroffenen Waren und Dienstleistungen festzulegen, und der Beschwerdekammer aufgrund ihrer Unparteilichkeit und der Art des Beschwerdeverfahrens keine Beistandspflicht zukomme, stehen diese Umstände dem nicht entgegen, dass die Beschwerdekammer in einem Fall wie dem vorliegenden es der Klägerin zu ermöglichen hatte, sich zur Unzulässigkeit einer Beschränkung des Verzeichnisses der mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu äußern und in der Folge festgestellte Mängel zu beheben.

73      Wie nämlich bereits dargelegt (siehe oben, Rn. 59), war es Sache der Beschwerdekammer, sich zu vergewissern, dass – was vorliegend nicht der Fall war – die Erfordernisse von Art. 75 Satz 2 der Verordnung Nr. 207/2009 erfüllt waren. Darüber hinaus kann, wie oben in Rn. 66 dargelegt, eine etwaige Behebung des Mangels einer Einschränkung des Verzeichnisses der mit der Anmeldemarke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen den Widerspruchsführer zufriedenstellen, so dass er seinen Widerspruch nach Regel 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2868/95 im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zurücknehmen könnte.

74      Was zweitens das Argument betrifft, dass für die Beschwerdekammer keine rechtliche Verpflichtung bestehe, dem Anmelder eine Frist betreffend eine Beschränkung des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen zu setzen, ist auf die Ausführungen oben in den Rn. 48 bis 67 hinzuweisen. Soweit das EUIPO auf eine mögliche Verpflichtung zur Festsetzung einer Frist zur Vorlage einer „neuen Einschränkung“ hinweist, genügt die Feststellung, dass eine Aufforderung zur Stellungnahme zu Mängeln einer bereits erfolgten Einschränkung nicht der Aufforderung zur Vorlage einer neuen Einschränkung gleichgestellt werden kann.

75      Nach alledem ist dem zweiten Teil des einzigen Klagegrundes stattzugeben und die angefochtene Entscheidung somit im Ganzen aufzuheben.

 Kosten

76      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

77      Im vorliegenden Fall sind das EUIPO und die Streithelferin mit ihrem Vorbringen unterlegen. Daher sind zum einen dem EUIPO neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Klägerin gemäß deren Antrag und zum anderen der Streithelferin ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 2. Juni 2015 (Sache R 117/2014-4) wird aufgehoben.

2.      Das EUIPO trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Capella EOOD.

3.      Die A.A.B.S. KG trägt ihre eigenen Kosten.

 

Gervasoni    Madise    Csehi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. März 2017.

 

Der Kanzler                                                          Der Präsident

E. Coulon                                                             A.M. Collins

16.03.2017